Wer bei Youtube zum Star wird, hat Millionen von Fans, die jeden Online-Auftritt verfolgen. Diese Aufmerksamkeit lässt die Wirtschaft sich nicht entgehen: Für sie ist das Videoportal von Google eine perfekte Werbeplattform. Schon lange läuft vor vielen Videos ein Werbespot. Aber auch in den Videos selbst geht es häufig darum, Produkte anzupreisen. VON DOMINIK SCHNEIDER

 

Ganz diskret – weiße Schrift auf weißem Hintergrund – blitzt im Intro kurz der Satz „Unterstützt durch Produktplatzierung“ auf. Dann geht‘s auch schon rasant los: „Wie kommen wir zum Festival?“, fragt Phil. „Ach, unser Samsung navigiert uns schon“, sagt er dann erleichtert in die wacklige Kamera. Und tatsächlich, wenig später sind er und sein Kumpel TC auf dem Gelände des „Open Flair Festivals“ in Eschwege gelandet. „Und weil man beim Tanzen ja auch mal schnell sein Handy verliert, ist dieses Samsung extra sturzfest“, tönen die beiden wenig später in die Kamera und lassen dabei ihre leuchtend blauen Smartphones begeistert auf den Boden fallen. Und so geht es munter weiter: In nahezu jeder zweiten Szene tauchen die Handys auf, werden von den Jungs der Comedy-Gruppe Y-Titty ausführlich genutzt und exzessiv bejubelt.

Das Video-Portal Youtube, das seine Inhalte bislang kostenlos anbietet, erzielt seine Gewinne durch den Verkauf von Werbezeit. Schließlich können auf diesem Wege Millionen von Menschen, die ihren Stars im Internet folgen, erreicht werden. Je mehr Klicks ein Video hat, desto mehr Geld zahlen die Firmen an Youtube bzw. Vermittlungsagenturen wie Mediakraft, Kontor.tv oder TubeAgency. Gerechnet wird in Tausender-Einheiten. Ein CPM steht für Cost per Millie, also den Preis pro 1000 Klicks. Ihr Video „Actionreicher Contest“ haben Y-Titty am 24. Oktober 2013 ins Netz gestellt. Seitdem wurde es über 200.000 Mal geklickt. 200.000 Klicks, die der Firma Samsung einiges wert gewesen sein dürften. Bis zu 50.000 Euro sollen Unternehmen für ein derartiges Engagement zahlen. Eine Menge Geld, aber laut socialblade.com – einem Portal, das Statistiken großer Websites aufstellt –sind die Preise damit bislang deutlich niedriger als etwa im Fernsehen.

Werbung einfach ausblenden

Die wichtigste Einnahmequelle für Youtube und die Protagonisten sind die den eigentlichen Filmen vorgeschalteten Anzeigen. Doch deren Wirkungsgrad beim Nutzer ist umstritten. Denn, so Wolfgang Schweiger, Professor für Kommunikationswissenschaften an der Universität Hohenheim: „Wir haben in unserer technisierten Gesellschaft eine Reaktanz gegen Werbung entwickelt.“ Das bedeute, dass Menschen, die täglich mit Unmengen an Werbung konfrontiert würden, gegen diese mit der Zeit immer mehr Widerstände entwickelten und sie nur noch als unvermeidliches Übel wahrnähmen. Die Konsequenz: Solange ein Werbeblock im Fernsehen oder ein Anzeigenspot bei Youtube laufe, beschäftigten sich die Zuschauer mit anderen Dingen, checkten mal eben ihren Facebook-Account oder ihre Whatsapp-Nachrichten.

In den letzten Jahren geht es bei der Werbung deshalb vor allem darum, das potentiell gelangweilte Publikum neu zu erobern. Je skurriler, je witziger, je eingängiger ein Clip, desto größer ist die Chance, sich die Aufmerksamkeit zu sichern – und damit potentielle Kunden für ein Produkt zu interessieren. Ist sie besonders eingängig, verselbstständigt sich Werbung auch gerne: Ein bekanntes Beispiel ist die Kampagne von Edeka, allen voran die „Supergeil“-Auftritte von Friedrich Liechtenstein. Solche Videos werden teilweise so beliebt, dass sie nicht als Werbung vor andere Videos geschaltet, sondern vielmehr als eigener Content wahrgenommen, gezielt gesucht und geklickt werden – und das im Fall von Friedrich Liechtenstein bisher über 14 Millionen Mal.

Die Werbung wird zum Inhalt

Eine weitere Möglichkeit, sich die Reichweite von Youtube und der dortigen Stars zu Nutze zu machen, bewegt sich am Rande des gesetzlichen Spielraums. Denn auch in den Videos der Stars geht es werbetechnisch zur Sache, wird dieses Makeup oder jenes Mode-Label, diese Wimperntusche oder jenes Smartphone vorgestellt. Während selbst jüngeren Mediennutzern bei den vorgeschalteten Videos klar sein dürfte, dass es sich um Werbung handelt, verschwimmt die Grenze zwischen Inhalt und kommerziellen Interessen bei dieser Art der Undercover-Werbung völlig. Die Youtuber sind für viele, vor allem junge Zuschauer, Vorbilder, die Trends setzen. Durch ihr Star-zum-Anfassen-Image sind sie der Lebenswelt ihrer Zuschauer näher als die Größen aus Hollywood; somit wirken ihre Empfehlungen noch authentischer und überzeugender als die von werbetreibenden Film- oder Fernsehstars. .

„Die Unternehmen hoffen so, die Werbe-Reaktanz – also das Desinteresse an Werbung – zu umgehen“, sagt der Kommunikationsexperte Wolfgang Schweiger. Der Zuschauer, der sich ein witziges Video oder praktisches Tutorial ansieht, merkt oft gar nicht, dass er es mit Werbung zu tun hat. Und anders als bei klassischer Werbung lenkt er sich nicht mit etwas anderem ab, weil er ja auf keinen Fall den nächsten Gag seines Idols verpassen möchte. Solche Produktplatzierungen müssen laut Gesetzgeber als Werbung gekennzeichnet sein, außerdem darf im Video keine direkte „Kaufaufforderung ausgesprochen“ werden. Sätze wie „kauft euch doch auch dieses tolle Handy“ sind also verboten. Verstößt ein Youtuber gegen diese Richtlinien, kann die Schleichwerbung mit einer Geldstrafe von bis zu 50.000 Euro geahndet werden.

Reine Werbeveranstaltungen enttäuschen

Laut einer Umfrage von Spiegel-TV weiß ein Großteil der jungen Zuschauer, dass ihre Lieblings-Youtuber das Smartphone nicht benutzen, weil sie es selbst mögen, sondern weil es für sie bares Geld bedeutet. In der Regel sind sie aber bereit, das zu akzeptieren. Wer mal ein Handy in die Kamera hält, verliert deshalb keinen Fan. Häuft es sich, reagiert die Community aber unwillig.

So hat das handyreiche Video „Actionreicher Contest“ dem Trio Y-Titty eine Menge Spott eingebracht. Viele Nutzer zeigten sich enttäuscht und kommentierten entsprechend: „Ihr sinkt immer tiefer“, „Ihr seid nur noch geldgeil“ oder „Das ist Werbung, Abo gekündigt“. Die Youtuber selbst und ihr Vermarkter Mediakraft weisen jedoch in diesem wie in allen anderen Fällen die Vorwürfe weit von sich. Schließlich sei, im Einklang mit den gesetzlichen Regelungen, zu Beginn jeder Sendung der Hinweis zu lesen: „Unterstützt durch Produktplatzierung“. Dennoch, wer heute auf das Video „Actionreicher Contest“ klickt, bekommt eine andere Botschaft: „Dieses Video ist privat. Das tut uns Leid.“ Ganz so weiß scheint die Weste der Jungs von Y-Titty doch nicht zu sein.