Dieses Jahr feierte Youtube seinen zehnten Geburtstag. Lange Zeit schien das Wachstum der Videoplattform keine Grenzen zu kennen. Doch neue Kanäle könnten sich zu einer ernsthaften Konkurrenz für den Giganten entwickeln. VON LARS-THORBEN NIGGEHOFF
Seit seiner Gründung in 2005 hat sich Youtube von einem Sammelsurium aus Pannen- und Musikvideos zu einem Medium entwickelt, das dem Fernsehen Konkurrenz macht. 2013 verzeichnete Youtube vier Milliarden Videoaufrufe, 1,75 Milliarden Euro an Werbeeinahmen flossen in die Kasse. Zum Vergleich: Die gesamten Bruttoinvestitionen in Online-Werbung lagen 2013 bei 7,23 Milliarden Euro weltweit, Youtube sahnte davon rund 24 Prozent ab. Also alles super bei der Google-Tochter?
Nicht so wirklich, die Zahlen deuten eine Zäsur an. Während die Menge der Videoaufrufe zwischen 2009 und 2012 noch von einer Milliarde auf vier Milliarden zugenommen hatte, stagnierte die Entwicklung zuletzt. Und auch die Werbeeinahmen wuchsen nicht mehr so schnell: Konnte Youtube hier von 2011 bis 2012 noch einen Anstieg von rund 1,1 Milliarden Euro verzeichnen (von 0,54 auf 1,61 Milliarden), betrug er zwischen 2012 und 2013 nur noch 0,14 Milliarden Euro.
Neue Plattformen spielen mit
Ein Grund für diese Entwicklung könnte die zunehmende Beliebtheit neuer Plattformen bei der jungen Zielgruppe sein. Eine besonders große Rolle spielt dabei der Foto- und Videodienst Instagram. Die Nutzer können hier Fotos und Videos teilen, ähnlich wie bei einem Blog. Instagram ermöglicht außerdem, die Fotos mithilfe von Filtern zu verfremden und sie im Anschluss auch in anderen sozialen Netzwerken zu teilen. Zwischen März und Dezember 2014 verzeichnete Instagram einen Zuwachs von 100 Millionen Nutzern. Mittlerweile sind mehr als 300 Millionen Menschen hier aktiv. Werbung wird ähnlich wie bei Facebook über die „Newsfeeds“ eingespielt – seit April 2015 auch in Deutschland, wo Instagram bis dato werbefrei war.
Stark im Kommen ist auch das soziale Netzwerk Pinterest. Aktuell – also drei Jahre nach Gründung des Unternehmens – sind auf Pinterest rund 100 Millionen Nutzer unterwegs. Sie können auf einer eigenen „Pinnwand“ Fotos einstellen, welche dann von anderen Nutzern übernommen werden können. Im Idealfall verbreiten sich die Fotos rasend schnell. Bilder sind wichtig und besonders wichtig sind schöne Bilder. Dementsprechend bemühen sich Unternehmen, auf Pinterest Bilder mit ihren Produkten per „Guerilla-Werbung“ zu verbreiten. Dazu melden sie sich wie jeder andere Nutzer an und stellen ästhetisch schön Fotos ein, auf denen dann wie zufällig auch ihre Produkte auftauchen – etwa das neueste Automodell vor einem Landschaftspanorama. Pinterest-Nutzer werden so ganz nebenbei mit Marken bekannt gemacht. In der Sprache der Werbetreibenden bezeichnet man das als „Branding“. Pinterest, das bislang kein Geld mit Werbung verdient hat, will in Zukunft Anzeigenplätze verkaufen. Dann würden auch diejenigen Nutzer mit Werbung konfrontiert, die keinem Firmen-Account folgen.
Mehr Nutzer, mehr Werbung
In der Welt der digitalen Unternehmen sind klassische Messwerte wie Umsatz und Erlös nicht mehr alles. Der Kurznachrichtendienst Twitter etwa wurde bei seinem Börsengang 2013 mit über 14 Milliarden Dollar bewertet, obwohl das Unternehmen bis dahin nie Gewinne geschrieben hatte. Die harte Währung der Digitalwirtschaft sind Daten, vor allem Nutzerdaten. Mehr Nutzer steigern das Interesse der Werbekunden.
Beispiel Instagram: Das Unternehmen nimmt momentan rund 600 Millionen Dollar für Werbung ein (etwa 535 Millionen Euro), für 2017 prognostiziert das Werbeforschungsinstitut eMarketer‘s bereits Einnahmen in Höhe von 2,1 Milliarden Dollar (etwa 1,84 Milliarden Euro) – eben weil für die nächsten Jahre weiterhin steigende Nutzerzahlen erwartet werden.
Youtube dagegen wächst nicht mehr wie bisher – vielleicht stellt sich bei den Nutzern auch langsam ein Sättigungseffekt ein. Bei der jüngeren Konkurrenz ist der noch nicht erreicht: Das bedeutet aber nicht automatisch das Ende von Youtube: In diesem Jahr erfuhr die Videoplattform schließlich eine mediale Rezeption wie noch nie zuvor. Das lag nicht nur am zehnjährigen Geburtstag, auch die zunehmende Integration von Youtube-Stars in klassische Medien wie dem Fernsehen sorgte für Aufsehen. Gut möglich also, dass sich Youtube momentan notgedrungen neu erfindet.
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